Mitten im Wald, direkt am stillen Ufer des Grabowsees, liegt ein Ort, der Geschichte atmet – und Gänsehaut verursacht. Die ehemaligen Lungenheilstätten bei Oranienburg sind ein verlassener Ort voller Geschichten, Brüche und Kontraste. Was einst als Zufluchtsort für Kranke gedacht war, wurde später zum Schauplatz dunkler Kapitel deutscher Geschichte – heute ist es ein Lost Place mit einzigartiger Atmosphäre.
Ursprung als Sanatorium
Die Heilstätten am Grabowsee wurden Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet. 1896 gründete die Deutsche Lungenheilstätten-Gesellschaft hier die erste Einrichtung dieser Art in Norddeutschland. Die saubere Luft, der See und die abgeschiedene Lage galten als ideale Bedingungen zur Behandlung von Tuberkulose.
Rund 30 Gebäude umfasste das Areal: Patiententrakte, Ärztehäuser, Küchen und Verwaltungsgebäude. Der Komplex war wie eine eigene kleine Stadt – mit eigener Kapelle, Theater und Schule. Hier sollten Kranke genesen und zur Ruhe kommen.
Militärische Nutzung im Dritten Reich
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich die Nutzung. Ab 1934 übernahm die SS große Teile des Geländes. Die Heilstätten wurden zu einem Lazarett und später zu einer Ausbildungsstätte für SS-Ärzte umfunktioniert.
Die einstige Idylle wich militärischem Drill. Statt Heilung standen nun Ausbildung, Kontrolle und Ideologie im Vordergrund. Auch Kriegsverletzte wurden hier versorgt, doch der Geist der NS-Zeit prägte die Gebäude auf grausame Weise.
Sowjetische Besatzung und Verfall
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Rote Armee das Gelände. Die sowjetischen Streitkräfte nutzten die Heilstätten bis in die 1990er-Jahre. Danach begann der Verfall.
Fenster zerschlagen, Wände mit Graffiti bedeckt, Dächer eingestürzt – der Zahn der Zeit nagte an dem einst so stolzen Ensemble. Doch gerade dieser Verfall macht heute den Reiz des Ortes aus.
Lost Place mit neuer Perspektive
Heute ziehen die Heilstätten Fotografen, Künstler und Filmteams an. Hier wurden Musikvideos, Serien und sogar Hollywood-Produktionen gedreht. Der Ort ist ein Hotspot für Urban Explorer – und ein Denkmal für eine bewegte Geschichte.
Ein Verein kümmert sich inzwischen um Erhalt und Nutzung. Führungen und Kulturveranstaltungen finden regelmäßig statt. So bleibt der Ort lebendig – zwischen Vergangenheit, Verfall und Vision.
Die Heilstätten am Grabowsee sind mehr als ein Lost Place. Sie sind ein Ort, an dem Geschichte greifbar wird. Und sie erinnern daran, wie nah Schönheit und Schrecken beieinanderliegen können.